Soja - Gesund oder gefährlich?

Sojapflanze

Eine Sojapflanze.

Im Laufe der 1990er Jahre erlebten Soja-Produkte, insbesondere in den USA, einen regelrechten Boom. Verantwortlich dafür waren Werbebotschaften, die eine Verbesserung der Cholesterinwerte, eine vorbeugende Wirkung gegen Osteoporose, Brust-, Gebärmutter- und Prostatakrebs, sowie eine positive Wirkung bei Beschwerden in den Wechseljahren versprachen. Auch beim Abnehmen soll Soja demnach helfen.

Seitdem mehren sich aber auch die kritischen Stimmen, die behaupten, Soja sei gesundheitsschädlich. Studien werden zitiert, die angeblich eine krebsfördernde Wirkung, einen negativen Effekt auf die Schilddrüse bis hin zur Struma-Bildung („Kropf“) oder eine Verminderung der Fruchtbarkeit belegen sollen.

Sollten diese Erkenntnisse stimmen, so wäre das gerade für viele Vegetarier und Veganer eine schlechte Nachricht, gelten doch Soja-Produkte gemeinhin als gute Proteinquelle. Was ist also dran an den verschiedenen Untersuchungen? Ist Soja gefährlich? Sollte man auf Sojamilch und Tofu besser verzichten?

Worum es überhaupt geht

Mitte des vergangenen Jahrhunderts wurde man auf die deutlich niedrigere Krebsrate in asiatischen Ländern aufmerksam. Nach ersten Untersuchungen begann man, eine Verbindung zwischen dem deutlich höheren Konsum von Soja-Produkten in Asien und der niedrigeren Prävalenz einiger Tumorarten herzustellen. Daher rührt der Ruf von Soja, dass Soja Krebs vorbeuge.

Kern weiterer wissenschaftlichen Untersuchungen rund um Soja sind im Grunde zwei Stoffe, die in der Sojabohne vorkommen: Daidzein und Genistein. Beide Stoffe zählen zu den Isoflavonen oder auch Isoflavonoiden. Sie sind dem menschlichen – vor allem weiblichen – Sexualhormon Östrogen nicht unähnlich, weshalb man sie auch Phytoöstrogene (phyto von gr. Φ?τον [phyton], Pflanze) nennt, also pflanzliche Östrogene.

Man weiß, dass ein hoher Östrogenspiegel beispielsweise Brustkrebs begünstigt und vermutete daher, die Phytoöstrogene würden mit dem körpereigenen Östrogen um die jeweiligen Rezeptoren konkurrieren und somit dem negativen Effekt eines zu hohen körpereigenen Östrogenspiegels entgegenwirken. Bald mehrten sich jedoch die kritischen Stimmen, die bezweifelten, dass dies ohne Auswirkungen auf den Hormonhaushalt bleiben könne.

Die Verunsicherung darüber, wie gesund oder gefährlich Soja wirklich ist, ist entsprechend groß. Großangelegte Studien sind jedoch selten, da diese mit enormen Kosten verbunden sind. Deshalb ist die Datenlage schlechter als sie sein könnte. Die Daten, die es gibt, sind jedoch eher ermutigend.

Wie sehen die Fakten aus?

Beginnen wir mit der Wirkung von Soja gegen Krebs. In Bezug auf die asiatischen Länder scheint es hier in der Tat einen Zusammenhang zwischen Sojakonsum und vermindertem Brustkrebsrisiko zu geben, welches sich aber nicht auf die westlichen Länder übertragen lässt [1]. Vermutet wird, dass der Sojakonsum bereits in der Kindheit oder Pubertät erhöht sein muss, um sich positiv auswirken zu können [2]. Nach einer überstandenen Brustkrebserkrankung kann Soja jedoch in jedem Fall helfen, das Risiko einer Neuerkrankung um 25 % zu senken [2]. Eine gar negative Auswirkung in den westlichen Ländern, also eine Steigerung des Risikos für Brustkrebs, konnte jedoch nicht festgestellt werden [1,2].

In Zusammenhang mit einer vegetarischen ausgewogenen Ernährung kann Soja außerdem womöglich das Risiko für Gebärmutterkrebs senken, allerdings ist der Effekt nicht sehr ausgeprägt [3]. Zumindest für Asien gibt es auch Hinweise auf ein reduziertes Eierstockkrebsrisiko [4], jedoch muss man auch hier berücksichtigen dass sich die Ergebnisse nicht unbedingt auf unseren Kulturkreis übertragen lassen.

Bei Männern könnte Soja eine Senkung des Risikos für Prostatakrebs befördern [5], die Datenlage ist aber noch unzureichend. Die zitierte Untersuchung weist aber darauf hin, dass sich Soja in den Untersuchungen als sehr sicher gezeigt hat.

Eine großangelegte japanische Studie [6] hat außerdem die Wirkung von Soja bei Lungenkrebs untersucht und festgestellt, dass Soja das Lungenkrebsrisiko bei Nichtrauchern senken kann, nicht jedoch bei Ex-Rauchern und Rauchern. Der Effekt ist bei Männern deutlich ausgeprägter als bei Frauen. Auch bei Dickdarmkrebs ist Soja offenbar vorbeugend wirksam [7].

Damit ist offenbar eine durchweg positive Wirkung von Soja auf einige Krebsvarianten durchaus wissenschaftlich zu belegen, wenn auch mit Einschränkungen. Aber neben der Krebsvorsorge hat Soja auch andere Effekte, die zeigen, dass Soja gesund ist.

In einer Studie in Singapur hat man den Effekt von Sojaprodukten auf das Risiko an Diabetes-Typ-II zu erkranken untersucht. Dabei hat man festgestellt, dass ein höherer Konsum von Sojaprodukten mit einem niedrigeren Diabetes-Risiko verbunden ist. Lediglich gesüßte Soja-Drinks („Sojamilch“ mit Zuckerzusatz) erhöht das Diabetes-Risiko leicht [8]. In einer anderen Studie senkten die Isoflavone aus Soja außerdem die Insulin-Resistenz, was bereits erkrankten Diabetikern zu Gute kommen könnte [9].

Außerdem hat Soja einen positiven Effekt bei Bluthochdruck [9,10]. In einer weiteren Studie zeigte sich bei Frauen mit erhöhtem Blutdruck und Nierenunterfunktion eine Verbesserung der Nierenfunktion durch Einnahme von Soja [11]. In einer japanischen Studie konnte Soja das Herz- und Hirnschlagrisiko senken, insbesondere bei Frauen nach den Wechseljahren [12].

Es gibt jedoch auch durchaus Belege für negative Auswirkungen, aber nicht in diesem Ausmaße. Es zeigte sich, dass Soja-Konsum zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen und den Schilddrüsenhormonhaushalt beeinflussen kann [9,13]. Die Ergebnisse sind jedoch nicht einheitlich, denn eine andere Studie konnte keine Beeinflussung der Schilddrüsenfunktion feststellen [14]. In jedem Fall ist dies nicht als gravierend einzustufen, da einer Schilddrüsenunterfunktion mit ausreichender Iod-Zufuhr, beispielsweise aus Nori-Algen, vorgebeugt werden kann.

Außerdem gibt es Anzeichen, dass Soja die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen könnte. Eine epidemiologischen Studie mit über 11 000 Siebenten-Tags-Adventistinnen zeigte, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen Sojakonsum und der Wahrscheinlichkeit, keine Kinder zu bekommen, gibt (je nach Sojakonsum + 3-13 %). Die Autoren der Studie räumen aber ein, dass hier auch soziale Ursachen das Untersuchungsergebnis beeinflusst haben könnten [15].

Ist Soja schädlich für Männer? Zu der Auswirkung der Phytoöstrogene auf Männer gibt es ermutigende Anzeichen. Tierversuche an Hasen zeigen, dass Soja auch bei größeren Mengen keinerlei nennenswerte Auswirkungen auf Entwicklung der Fortpflanzungsfähigkeit hat. Dies gilt auch dann, wenn bereits die Mutter während Austragung und Säugen sojareiches Futter bekam [16]. Weitere Studien an Menschen deuten ebenfalls darauf hin, dass Soja weder die Spermienqualität [17] noch den männlichen Hormonhaushalt [18] beeinflusst.

Insgesamt ist die Datenlage zu den Auswirkungen von Soja auf die Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen eher schlecht. Die Studien, die es gibt, zeigen tendenziell keine oder keine gravierenden Auswirkungen von Soja auf die Fruchtbarkeit [19]. Lediglich Tier- und Laborergebnisse gibt es in größerer Zahl. Hier sind die negativen Folgen teilweise deutlicher nachweisbar, aber nicht einheitlich. Insgesamt ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen mehr als fraglich.

Kritiker weisen außerdem darauf hin, dass man gegen Soja eine Allergie entwickeln kann. Aber das gilt auch für viele andere Lebensmittel, die in unserem Kulturraum tagtäglich auf dem Speiseplan stehen. Außerdem betrifft eine Soja-Allergie nach Schätzungen des Bundesamtes für Risikobewertung gerade einmal 0,4 % der Bevölkerung [20].

Soja Eiweiß

Soja, eine besonders von Vegetariern und Veganern geschätzte Quelle von hochwertigem Eiweiß.

Was man über Soja sonst noch wissen sollte

Soja ist besonders aufgrund seines hohen Eiweißgehaltes bei Vegetariern und Veganern sehr beliebt. Im Handel gibt es ein breites Angebot an Sojaprodukten, die tierische Produkte imitieren: Soja-„Milch“, Soja-„Sahne“, Soja-„Joghurt“, Soja-Eis, Soja-„Fleisch“, Soja-„Wurst“ usw., aber natürlich auch eigenständige Produkte wie Tofu in vielen verschiedenen Sorten, Bratlinge oder die traditionellen asiatischen Produkte Tempeh, Miso und Sojasauce.

Man muss sich jedoch bewusst sein, dass der Großteil der weltweiten Sojaproduktion genmanipulierte Pflanzen verwendet. Somit ist es also ratsam, sich auf Bio-Soja aus ökologischem Anbau, am besten aus der EU, zu beschränken. So wird allein in Österreich auf 25 000 ha Soja nach ökologischen Kriterien angebaut. Wem jetzt hier dennoch die riesigen, Glyphosat gedüngten Monsanto-Monokulturen auf Regenwaldgebiet einfallen, dem sei gesagt, dass über 70 % der weltweiten Sojaproduktion als Tierfutter eingesetzt wird. Wer also Soja nutzt, um Tierprodukte zu ersetzen, trägt ironischerweise dazu bei, den weltweiten Anbau von Soja eher zu reduzieren, als auszuweiten.

Übrigens: Von der Einnahme von Isoflavon-Isolaten ist abzuraten. Es macht für den Körper einen großen Unterschied, ob ein Stoff im abwechslungsreichen Speiseplan natürlich und mit zahlreichen anderen Stoffen vorkommt, oder isoliert und in hoher Dosierung eingenommen wird.

Fazit

Als Nahrungsmittel ist Soja nach wie vor eine gute Wahl, um tierisches Eiweiß durch eine hochwertige pflanzliche Eiweißquelle zu ersetzen. Die Behauptung, Soja sei ungesund, kann bei normalen Verzehrmengen im Rahmen eines abwechslungsreichen, veganen und vollwertigen Ernährungsplans nicht aufrecht erhalten werden. Abwechslungsreich heißt: Wer täglich morgens mit Soja-„Milch“ und Soja-Margarine frühstückt, zum Mittag eine Portion Nudeln mit Soja-Bolognese-Sauce isst und zum Abend sein Brot mit Soja-Wurst belegt, darf sich nicht über negative Auswirkungen wundern, denn eine solche Ernährung ist schlicht nicht als abwechslungsreich zu bezeichnen.

 

Quellen:

1: Chen, M., Rao, Y., Zheng, Y., et al. (2014): Association between Soy Isoflavone Intake and Breast Cancer Risk for Pre- and Post-Menopausal Women: A Meta-Analysis of Epidemiological Studies. Plos ONE, 9(2), 1-10.
2: Messina, M. (2014): Soy foods, isoflavones, and the health of postmenopausal women. American Journal Of Clinical Nutrition, 100, 423-430.
3: Goodman, M. T., Wilkens, L. R., Hanin, J. H. (1997): Association of soy and fiber consumption with the risk of endometrial cancer. American journal of epidemiology, 146(4), 294-306.
4: Lee, A., Su, D., Pasalich, M., et al. (n.d): Soy and isoflavone intake associated with reduced risk of ovarian cancer in southern Chinese women. Nutrition Research, 34(4), 302-307.
5: van Die, M., Bone, K., Williams, S., & Pirotta, M. (n.d): Soy and soy isoflavones in prostate cancer: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Bju International, 113(5B), E119-E130.
6: Shimazu, T., Inoue, M., Sasazuki, S. (2010): Isoflavone intake and risk of lung cancer: a prospective cohort study in Japan. The Amercian jorunal of clinical nutrition, 91(3), 722-728.
7: Budhathoki, S., Joshi, A., Ohnaka, K., et al. (2011): Soy food and isoflavone intake and colorectal cancer risk: The Fukuoka Colorectal Cancer Study. Scandinavian Journal Of Gastroenterology, 46(2), 165-172.
8: Mueller, N., Odegaard, A., Gross, M., et al. (2012): Soy intake and risk of type 2 diabetes mellitus in Chinese Singaporeans. European Journal Of Nutrition, 51(8), 1033-1040.
9: Sathyapalan, T., Manuchehri, A., Thatcher, N., et al. (2011): The effect of soy phytoestrogen supplementation on thyroid status and cardiovascular risk markers in patients with subclinical hypothyroidism: a randomized, double-blind, crossover study. The Journal Of Clinical Endocrinology And Metabolism, 96(5), 1442-1449.
10: Liu, X., Li, S., Chen, J., et al. (n.d). Effect of soy isoflavones on blood pressure: A meta-analysis of randomized controlled trials. Nutrition Metabolism And Cardiovascular Diseases, 22(6), 463-470.
11: Liu, Z., Ho, S., Chen, Y., et al. (2014). Effect of whole soy and purified isoflavone daidzein on renal function- a six-month randomized controlled trial in equol-producing postmenopausal women with prehypertension. Clinical Biochemistry. DOI: 10.1016/j.clinbiochem.2014.05.054
12: Kokubo, Y., Iso, H., Ishihara, J. (2007): Association of dietary intake of soy, beans, and isoflavones with risk of cerebral and myocardial infarctions in Japanese populations: the Japan Public Health Center-based (JPHC) study cohort I. Circulation, 116(22), 2553-2562.
13: Milerová, J., Cerovská, J., Zamrazil, V. et al. (2006): Actual levels of soy phytoestrogens in children correlate with thyroid laboratory parameters. Clinical Chemistry And Laboratory Medicine: CCLM / FESCC, 44(2), 171-174.
14: Zhou, Y., Alekel, D., Dixon, P. M., et al. (2011): The Effect of Soy Food Intake on Mineral Status in Premenopausal Women. Journal Of Women's Health, 20(5), 771-780.
15: Jacobsen, B., Jaceldo-Siegl, K., Knutsen, S., et al. (2014): Soy isoflavone intake and the likelihood of ever becoming a mother: the Adventist Health Study-2. International Journal Of Women's Health, 6377-6384.

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