Warum Bio nicht gleich Bio ist

Auch wenn fälschlicherweise in manchen Medien anderes behauptet wird: Ökologisch produzierte Agrarprodukte sind jenen aus konventionellem Anbau in jeglicher Hinsicht überlegen. Sie weisen eine geringere Belastung mit Pestiziden auf, sind prinzipiell gentechnikfrei und ihre Produktion hat eine deutlich geringere Umweltbelastung zur Folge. Die EG-Öko-Verordnung, die die Minimalanforderungen für die Verleihung des europäischen bzw. deutschen Öko-Siegels festlegt, ist jedoch lückenhaft. Einige Bio-Anbauverbände zeigen, wie man es besser machen kann. Dabei gehen wir insbesondere auf den Anbau von Pflanzen und weniger auf die Bedingungen in der Tierhaltung ein.

Die EG-Öko-Verordnung

Bei aller Kritik an der EG-Öko-Verordnung darf man nicht vergessen, dass diese gesetzliche Standards regelt, die einen anderen Verbindlichkeitsgrad haben, als Verpflichtungen bei Anbauverbänden. Bisweilen lockerere Vorschriften als bei den Anbauverbänden sind auch notwendig, um Landwirte nicht in bestimmten Einzelfällen, die mit einer allgemeinen Regelung nur schwer erfassbar sind, in die Illegalität zu treiben. Andererseits bedeutet das aber auch, dass ein Landwirt diese Spielräume gezielt ausnutzen kann, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen – auf Kosten der Verbraucher.

Bio nicht gleich Bio

Ökologisch bewirtschaftete Flächen bieten vielen selten gewordenen Tieren einen Schutz- und Lebensraum, wie diesem Dukatenfalter

Solche Spielräume und Regelungslücken sind zahlreich vorhanden. So dürfen bis zu 5 % eines Produktes aus nicht ökologischer Erzeugung stammen, ohne dass die Vergabe des Siegels gefährdet wäre. Vorschriften für den Zukauf von Mineral- und Stickstoffdüngern fehlen, somit besteht kein Schutz vor Überdüngung. Besonders unappetitlich: Auch die Düngung mit Blut-, Fleisch- und Knochenmehlen ist zulässig. Auch der Zukauf von Gülle, Jauche und Geflügelmist aus konventioneller Haltung ist erlaubt – so kommen zahlreiche Stoffe wie beispielsweise Antibiotika aus der konventionellen Tierhaltung auf den Acker, die ein gesundheitsbewusster Veganer ganz sicher nicht in seinem Essen haben möchte.

Ferner ist auch die Teilumstellung von landwirtschaftlichen Betrieben erlaubt. Das heißt, ein Landwirt kann sich dazu entscheiden, seine Kartoffeln biologisch, seinen Weizen jedoch weiterhin konventionell anzubauen. Das widerspricht einerseits der Idee vom ökologischen Landwirtschaftsbetrieb als ganzheitliches Konzept und andererseits erschwert es die Kontrolle. So wäre es beispielsweise durchaus denkbar, dass der Landwirt den konventionellen Dünger, den er auf seinem Hof lagert, auch für die biologischen Felder nutzt. In Ländern außerhalb Deutschlands sind solche ökologischen Teilbetriebe häufiger, in Deutschland selbst aber eher selten.

Die Anbauverbände

Neben den staatlichen Biosiegeln gibt es noch eine Reihe an Anbauverbänden, die deutlich striktere Anbaurichtlinien haben. Sie begrenzen die Düngung insgesamt und zusätzlich auch den Zukauf von Dünger. Ferner schreiben sie vor, dass mindestens die Hälfte des ausgebrachten Düngers aus eigener Herstellung stammen muss. Manche Anbauverbände machen darüber hinaus noch Vorschriften zum sozialen Umgang (z.B. Naturland) oder empfehlen ausdrücklich die Berücksichtigung kosmischer Rhythmen und Gestirnkonstellationen bei Aussaat und Ernte (z.B. Demeter).

Hinzu kommen Detailregelungen zu Naturgas, Zusammensetzung von Anzuchterde, Anbaumethoden, Heizregelungen zu Gewächshäusern und vieles mehr, die in der EG-Öko-Verordnung gar nicht oder nur unzureichend geregelt sind, aber zu einer deutlich geringeren Umweltbelastung und naturnäheren Produkten beitragen können.

Bio nicht gleich Bio

Mit Gülle darf auch bei den Anbauverbänden gedüngt werden – Anders aber als in der EU-Verordnung ist das Düngen mit Gülle aus konventionellen Betrieben strengstens untersagt

Eine besonders wichtige Regelung, die bei den meisten Anbauverbänden Einzug gehalten hat, ist das Verbot von Hybridzüchtungen. Hybridzüchtungen sind bestimmte Kreuzungen aus zwei Pflanzensorten. Das Ergebnis solcher Kreuzungen sind Pflanzen, die in der ersten Aussaat direkt nach der Kreuzung einen vergleichsweise besonders hohen Ertrag liefern. Man nennt das den Heterosiseffekt. Tückisch daran ist aber, dass dieser Effekt immer nur nach der ersten Aussaat auftritt. Möchte man aus der daraus resultierenden Ernte eigenes Saatgut herstellen, so sinken die Erträge wieder. Für den Landwirt bedeutet dies, dass er sein Saatgut nicht mehr selbst herstellen kann, sondern für jede Aussaat neu kaufen muss und abhängig von den Saatgutherstellern wird.

Unter den Anbauverbänden dürfte Demeter wohl jener mit den umfassendsten und strengsten Regelungen sein. Er ist außerdem der älteste Anbauverband, es gibt ihn schon seit 1928. Demeter schreibt die Verwendung bio-dynamischer, homöopathie-ähnlicher Präparate (enthalten tierische Produkte!) beim Pflanzenanbau zwingend vor und berücksichtigt auch kosmische Konstellationen beim Anbau. Da der Demeter-Anbauverband den Landwirtschaftsbetrieb als organisches Ganzes betrachtet, schreibt er jedoch auch die Tierhaltung zwingend vor. Dahinter steckt das Ideal von einem möglichst geschlossenen Kreislauf, in dem die Abfälle aus der Tierhaltung als Dünger genutzt werden können.

Aber auch die anderen Anbauverbände setzen ausdrücklich auf die Düngung mit Mist oder ähnlichen Nebenprodukten der Tierhaltung. Damit ist der überwiegende Großteil der Bio-Produkte nicht streng vegan erzeugt, aber im Vergleich zur gentechnik- und pestizid-belasteten Ware aus konventionellem Anbau immer noch die bessere Wahl.

Die Zukunft: Bio-vegane Landwirtschaft

Es gibt bereits einige (wenige) Biolandwirte, die das Problem der organischen Düngung erkannt haben und ihren Betrieb auf bio-veganen Landwirtschaft umgestellt haben. Sie vermeiden nach Möglichkeit den Einsatz sämtlicher tierischer Produkte in ihrem Betriebsablauf und streben eine möglichst große Unabhängigkeit von Betrieben mit „tierischer“ Produktion an. Leider lassen sich die bio-veganen Betriebe in Deutschland fast noch an zwei Händen abzählen.

Bio nicht gleich Bio

Es geht auch ohne Düngung tierischen Ursprungs: Kompost ist ein idealer Dünger!

Es fehlt auch hierzulande noch an verbindlichen und regelmäßig kontrollierten bio-veganen Standards. Insgesamt steckt die Entwicklung standardisierter, bio-veganer Anbaumethoden noch in einem frühen Stadium – auch wenn es unmittelbar einleuchtend erscheint, dass kompostiertes Pflanzenmaterial mehr Nährstoffe enthält als das gleiche Pflanzenmaterial, nachdem es zuvor durch ein Tier als Futtermittel verwertet wurde. Durch die geringe Verbreitung und den bisherigen Entwicklungsstand ist es deshalb dringend notwendig, einerseits durch gezielte Nachfragen bei bereits ökologisch wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieben auf die Nachfrage nach echt-veganen Produkten hinzuweisen und andererseits für bestehende oder umstiegswillige Betriebe alternative Wirtschaftsformen zu etablieren, die sie vor unfairen Marktbedingungen und –preisen schützen (z.B. die solidarische Landwirtschaft).

Fazit

Die offiziellen Öko-Siegel in Deutschland oder der EU sind kaum mehr als ein absoluter Mindeststandard. Besser sind die Standards der Anbauverbände. Insgesamt stellt sich aber in beiden Fällen das Problem, dass ökologische Betriebe meist mit Abfallprodukten aus der Tierhaltung düngen und damit keine wirklich veganen Produkte erzeugen. Hier bietet die bio-vegane Landwirtschaft ein interessantes und absolut förderungswürdiges Gegenmodell.

Links

Die EG-Öko-Verordnung:
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2007:189:0001:0023:DE:PDF

Anbauverbände (die drei größten, nach Mitgliederanzahl):
Demeter: www.demeter.de Bioland: www.bioland.de Naturland: www.naturland.de

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