Glyphosat: Grünes Gift in Brot, Bier und Mensch

Als in den letzten Wochen vermehrt darüber berichtet wurde, dass in einer Reihe von getesteten Biersorten das Herbizid (Unkrautbekämpfungsmittel) Glyphosat gefunden worden sei, bin ich neugierig geworden. Was genau ist eigentlich Glyphosat und warum steht es so in der Kritik?

Glyphosat ist die biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitbandherbizide, d.h. unspezifisch wirksamer Herbizide, und wurde von dem Agrarkonzern Monsanto in den 1970er Jahren entwickelt und patentiert. Es wird von den Pflanzen über die grünen Pflanzenanteile, also u.a. über die Blätter aufgenommen und verhindert in der Folge die Synthese einiger essentieller Aminosäuren, die für das Wachstum der Pflanzen unentbehrlich sind. Dies geschieht über einen Stoffwechselweg, den es so nur bei Pflanzen, Bakterien und Pilzen gibt.


Warum wird gerade Glyphosat so häufig verwendet?

Glyphosat

Das Gift auf unseren Feldern: Glyphosat ist das weltweit meistverkaufte Breitbandherbizid, welches von Monsanto entwickelt wurde. Die WHO stuft es als krebserregend und erbgutschädigend ein.

Glyphosat ist das deutschlandweit und weltweit meistverkaufte Pestizid. Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, wie beispielsweise der Soja in den USA und Südamerika, wurden extra resistent gegen das Glyphosat gezüchtet. So konnte und kann das Mittel großflächig und in hoher Dosis gegen Unkraut eingesetzt werden, ohne dass die Nutzpflanze selbst Schaden nimmt.

Glyphosat wird, in Deutschland allerdings seit 2014 nur noch eingeschränkt, auch zur sogenannten Sikkation verwendet. Das bedeutet, dass kurz vor der Ernte die Pflanzen flächenmäßig „totgespritzt“ werden, damit eine gleichzeitige Reifung erreicht wird. Diese Sikkation gilt als Hauptgrund für die Glyphosat-Rückstände in Lebensmitteln.


Auslöser: Der Biertest

Das Umweltinstitut München hat 14 Biersorten auf deren Glyphosatgehalt getestet. Es wurden (leider) ausschließlich Nicht-Biobiere geprüft. Ob das Glyphosat über das Malz, den Hopfen oder auf andere Weise ins Bier gekommen ist, kann zur Zeit nicht sicher gesagt werden.[1]

Jede (!) der 14 Biersorten war belastet. Die Werte der Glyphosatbelastung bewegen sich zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter. Der Trinkwassergrenzwert liegt jedoch unter 0,1 Mikrogramm!

Das Umweltinstitut München schreibt: „In absoluten Zahlen sind die Mengen klein. Doch bei krebserregenden und hormonwirksamen Stoffen gibt es keine Untergrenze, unter der sie sicher sind. Sie können selbst in kleinsten Mengen eine gesundheitsschädigende Wirkung entfalten.Untersuchungen zeigen, dass auch andere Lebensmittel Rückstände von Pestiziden und Chemikalien beinhalten. Das Glyphosat im Bier trägt zur Gesamtbelastung mit Glyphosat und anderen krebserregenden und hormonwirksamen Stoffen bei. Hopfen, Weizen und Gerste lassen sich auch ohne den Einsatz glyphosathaltiger Mittel anbauen. Daher gibt es keinen Grund, weshalb die Brauereien nicht alles unternehmen sollten, um ihren Kundinnen und Kunden diese zusätzliche Belastung zu ersparen.“ [1]


Warum ist Glyphosat überhaupt ein Problem?

Glyphosat

Auslöser für die Diskussion war ein Biertest, in dem alle 14 getesteten Biersorten (alle nicht bio) auf Glyphosat getestet wurden. Ergebnis: Alle waren belastet.

Entgegen früherer Annahmen ist inzwischen die Studienlage über die Schädlichkeit dieser chemischen Verbindung derartig erdrückend, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat offiziell als erbgutschädigend sowie als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Es wurde sogar eine Einstufung hinsichtlich „definitiv krebserregend“ diskutiert,  diese dann allerdings aufgrund einer etwas zu wackeligen Datenlage vorsichtshalber abgemildert (Blair et al.). Die WHO ist die erste große internationale Organisation, die sich gegen Monsanto stellt. Das Herbizid steht im Verdacht, in das menschliche Hormonsystem einzugreifen und die Fruchtbarkeit zu schädigen. Die WHO stützt sich dabei insbesondere auf eine aktuelle Studie der „Internationalen Agentur für Krebsforschung" (IARC). Die Wissenschaftler konnten belegen, dass Glyphosat Lymphdrüsen- und Lungenkrebs auslösen kann. In menschlichen und tierischen Zellen verursacht es DNA- und Chromosomenschäden. In der Praxis kann dies zu verheerenden Erscheinungen führen, insbesondere wenn das Gift aus der Luft aufgesprüht wird:

In der argentinischen Provinz Chaco, in der in großem Maße Soja angebaut und massiv mit Glyphosat behandelt wird, hat sich die Krebsrate bei Kindern unter 15 Jahren in den Jahren 2000 bis 2009 verdreifacht gegenüber dem vorherigen Jahrzehnt.[2]

Auch für die Natur ist der Eintrag von Glyphosat ein Problem: Gelangt die Verbindung in Bäche, Flüsse und Grundwasser, schädigt es auch Wasserlebewesen, beispielsweise Kaulquappen, deren Embryonalentwicklung gestört wird und die in Folge dessen sterben. Da es darüber hinaus als Totalherbizid jede (bis auf die gentechnisch veränderte Nutzpflanze) Pflanze auf dem Feld abtötet, wird der Lebensraum  für Insekten stark eingeschränkt; dies hat wiederum Folgen für die Vögel, da die Insekten ihnen als Hauptnahrung dienen.[2]

Auch für die Landwirte selbst ist das Aufbringen von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln ein nicht ungefährliches Unterfangen: "Wir haben das eben auch aufgrund der epidemiologischen Studien gesehen, dass Landwirte, die mit Glyphosat gearbeitet haben, ein erhöhtes Risiko für Lymphknotenkrebs aufwiesen", betont Kurt Straif von der internationalen Krebsforschungsagentur der WHO.[3]

Der EU-Abgeordnete und Landwirt Martin Häusling stellt zudem fest, wie paradox es sei, dass "Europas Landwirte Glyphosat zur Unkrautvernichtung ins Getreide spritzen dürfen - aber das glyphosathaltige Stroh müsse dann merkwürdigerweise fast wie Sondermüll behandelt werden. "Das Stroh, das übrig bleibt, dürfen die Bauern nicht verwenden. Wohl aber das Getreide. Dieses dürfen sie umgehend danach zur Mühle fahren."[3]


Worin ist Glyphosat noch enthalten?

Die Zeitschrift Ökotest testete bereits im Jahr 2013 verschiedene Sorten Brot, Mehl und Haferflocken – vielfach mit Glyphosatbelastung.[4,5] Dazu kommen Nachweise in importiertem Soja für Tierfutter sowie in Linsen. Fest steht: Glyphosat ist in der Nahrungsmittelkette angekommen. Eine kleine Studie im Auftrag der Grünen mit 16 stillenden Müttern konnte zeigen, dass es sogar in der Muttermilch enthalten ist. Weiterhin wurden von 182 Stadtbewohnern aus 18 Ländern Urinproben genommen. Fazit: Sieben von zehn untersuchten Großstädtern in Deutschland hatten das Unkrautvernichtungsmittel im Urin.[4]


Weshalb sind Herbizide, die Glyphosat enthalten, nicht schon längst verboten worden?

Wenn, laut WHO und anderen renommierten Einrichtungen, das Glyphosat als so gefährlich eingestuft wird, warum ist es nicht längst verboten worden? Eine interessante Frage, die in einer sehr gut recherchierten Analyse vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) beantwortet wird.[5]:

Zudem machen die Recherchen des BUND sichtbar, dass es eine lange Tradition der Nähe zwischen Behörden und Industrie und offenbar wenig Bewusstsein bei Behördenvertretern gibt, dass dadurch die unabhängige Bewertung von Pestiziden beeinträchtigt wird. Dies zeigt sich in den 90er Jahren während des EU-Erstzulassungsverfahrens für Glyphosat und gipfelt beim laufenden Wiederzulassungsverfahren in der Aussage eines Vertreters des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit von 2015, man sehe sich als „Dienstleister“ seiner „Kunden“, also der Pestizidhersteller.“

Im Klartext: Die  Zusammenarbeit der Behörde mit den Herstellern führt dazu, dass das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als Basis seiner Bewertungen des Giftes industrienahe Studien heranzieht und unabhängige de facto diskreditiert. Dies ist keine einfache Behauptung. Im Jahr 2013 fragte Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundesregierung nach Langzeitstudien an, die sich mit möglichen gesundheitlichen Folgen von Glyphosat auseinandersetzen. In ihrer Antwort listet die Bundesregierung 28 industriefinanzierte Langzeitstudien auf – und nur eine Studie, die nicht von der Industrie finanziert wurde.[9] Das hat weitreichende Folgen, denn der BfR-Bericht ist eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung, ob Glyphosat in der EU weitere zehn Jahre oder länger zugelassen wird, wie im Abschnitt „Wie ist der aktuelle Stand“ näher erläutert wird.

Eine Studie der Organisation Corporate Europe Observatory des Jahres 2013 zeigt auf, dass über die Hälfte der Wissenschaftler, die für die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) tätig sind, direkte  oder indirekte Verbindungen zur Pestizidindustrie haben – diejenige Industrie also, welche die Wissenschaftler eigentlich kontrollieren sollen. [6]

Deutschland betreffend erklärt Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer sogar: „Die Bundesregierung verlässt  sich bei ihrer Entscheidung auf Studien, die von Monsanto selbst stammen.“ [7]


Wie kann ich mich schützen?

Diese Frage lässt sich kurz und knapp beantworten: Da in der ökologischen Landwirtschaft der Einsatz von glyphosathaltigen Herbiziden verboten ist, kann davon ausgegangen werden, dass lediglich der Verzehr von Bio-Produkten Schutz davor bietet, Glyphosat durch Nahrungsmittel aufzunehmen.


Wie ist der aktuelle Stand?

Grundsätzlich gilt in der EU ein zweistufiges Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel, also auch für den Wirkstoff Glyphosat. Zuerst wird auf EU-Ebene der Wirkstoff geprüft und, wenn die Anforderungen erfüllt werden, auf europäischer Ebene zugelassen.

Im zweiten Schritt benötigt jedes einzelne Handelsprodukt eine nationale Zulassung, die von den jeweiligen Mitgliedsstaaten erteilt wird. Sowohl die Wirkstoffgenehmigung (erster Schritt) als auch die Handelsproduktzulassung (zweiter Schritt) sind zeitlich befristet, um nach Fristablauf nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik erneut überprüft zu werden.[8]

In Bezug auf Glyphosat endete die Genehmigung auf EU-Ebene im Dezember 2015 und wurde von den zuständigen Gremien bis Ende Juni 2016 verlängert, um die derzeitig laufende Prüfung abzuschließen.

Es geht aktuell also um die Frage, ob Glyphosat in Europa nach Juni 2016 verwendet werden darf oder nicht.

Deutschland spielt bei der Frage der Weiterzulassung eine bedeutende Rolle, denn die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) stützt sich bei ihrer Risikoeinschätzung des Stoffes auf die Einschätzung des BfR, da sie für eigene Studien keine Mittel zur Verfügung hat.[3] Das EFSA-Gutachten wiederum ist Grundlage für die Entscheidung der EU-Kommission.  

Anfang März diesen Jahres hat das Experten-Gremium der 28 EU-Länder die Abstimmung über den Vorschlag der EU-Kommission vertagt, dem Mittel für 15 weitere Jahre eine Zulassung zu gewähren. Bedenken äußerten vor allem Frankreich, Schweden und Italien, während die Bundesregierung ihre Position bisher nicht festgelegt hat.

Am 23. März hat sich der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments gegen eine Zulassungsverlängerung bis 2031 ausgesprochen. Das lässt hoffen; allerdings muss die EU-Kommission dem Entscheid des Umweltausschuss nicht folgen. Dieser ist lediglich eine Empfehlung.   

Nach derzeitiger Planung soll im Mai erneut über die Zulassung abgestimmt werden.

Fortsetzung folgt also!

  

 Quellen

[1] http://www.umweltinstitut.org/fileadmin/Mediapool/Downloads/02_Mitmach-Aktionen/11_Rettet_das_Reinheitsgebot/Glyphosat_Untersuchung_Umweltinstitut_2016.pdf
[2] http://www.bund.net/aktiv_werden/aktionen/glyphosat_verbieten/kurzinfo/fragen_und_antworten/
[3] https://www.tagesschau.de/ausland/eu-glyphosat-101.html[4] http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=11799&gartnr=90&bernr=04
[5] http://emedien.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=102072&bernr=04
[6] http://corporateeurope.org/sites/default/files/attachments/unhappy_meal_report_23_10_2013.pdf
[7] http://www.radiobremen.de/politik/themen/glyphosat-meyer100.html
[8] https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Pflanzenschutz/_Texte/GlyphosatFAQ.html
[9] http://www.bund.net/aktiv_werden/aktionen/glyphosat_verbieten/kurzinfo/fragen_und_antworten/

 

 

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